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Arbeitswelt im Wandel: Tarifpartnerschaft und betriebliche Mitsprache stärken

In Berlin wurde vom OECD-Direktor für Beschäftigung, Stefano Scarpetta, die Studie "Gemeinsam zum Erfolg: Tarifverhandlungen und Mitsprache in einer Arbeitswelt im Wandel" zur Lage der kollektiven Tarifverhandlungssysteme und der betrieblichen Beteiligung (Workers' Voice) in den OECD-Ländern vorgestellt.

Im Beisein von Staatssekretär Björn Böhning wurde heute in Berlin vom OECD-Direktor für Beschäftigung, Stefano Scarpetta, die Studie "Gemeinsam zum Erfolg: Tarifverhandlungen und Mitsprache in einer Arbeitswelt im Wandel" zur Lage der kollektiven Tarifverhandlungssysteme und der betriebliche Beteiligung (Workers' Voice) in den OECD-Ländern vorgestellt. Angesichts einer sich wandelnden Arbeitswelt mit immer neuen Beschäftigungsformen und Geschäftsmodellen appelliert die OECD an ihre Mitgliedstaaten, die Rolle von Tarifpartnerschaft und Mitsprache wieder zu stärken und dafür zu sorgen, dass alle Menschen unabhängig von der Art ihres Beschäftigungsverhältnisses auch davon profitieren. Die gewerkschaftliche Organisation von Beschäftigten und Tarifbindung von Arbeitsverhältnissen gehen seit Jahren - auch in Deutschland - erheblich zurück. Dabei haben Tarifbeziehungen und Arbeitnehmermitsprache laut der Studie grundsätzlich großen Einfluss auf den Arbeitsmarkt und die Beschäftigungsqualität.

Der OECD-Direktor für Beschäftigung Stefano Scarpetta sagte bei der Vorstellung der Studie in Berlin:

Die Welt der Arbeit wandelt sich. Tarifpartnerschaft und Arbeitnehmermitsprache können Unternehmen wie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern helfen, auf die demographischen und technologischen Herausforderungen der Zukunft zu reagieren. Voraussetzung ist, dass zwischen den Sozialpartnern Vertrauen herrscht und sie gemeinsam auf ein ausgewogenes Verhältnis von Teilhabe und Flexibilität zielen.

Staatssekretär Björn Böhning hob hervor:

Der Bericht der OECD ist für uns Bestätigung und Ansporn zugleich. Er bekräftigt in vielen Punkten, wie sehr die deutsche Tarifpartnerschaft unter Druck steht und wie groß entsprechend der politische Handlungsbedarf ist. Umso mehr ist er Ansporn für uns, konkrete Maßnahmen zur Stärkung der Tarifpartnerschaft zügig anzugehen. Mit Vorschlägen zur Stärkung der Tarifbindung und zum Ausbau der betrieblichen Mitbestimmung will das BMAS dazu beitragen, den Stellenwert der Sozialpartnerschaft wieder zu erhöhen. Auch in der zukünftigen, sich wandelnden Arbeitswelt, z.B. in der Plattformökonomie, muss gelten: Wir wollen faire Wettbewerbsbedingungen, gute Arbeit und soziale Sicherheit für alle.

Mit Blick auf die Zukunft sollten die OECD-Länder laut Studie sicherstellen, dass Tarifpartnerschaft und Mitsprache bestmöglich genutzt werden – etwa, indem auch arbeitnehmerähnliche Erwerbstätige in neuen Geschäftsmodellen Zugang zu Tarifverhandlungen erhalten. Außerdem sei es wichtig, Arbeitskräfte korrekt einzustufen, Scheinselbstständigkeit zu vermeiden und (gegebenenfalls) rechtliche Bestimmungen anzupassen, wenn sich neue Beschäftigungsformen in der Grauzone zwischen abhängiger und selbständiger Beschäftigung entwickeln.

Die Studie zeigt auf, dass OECD-weit ein immer kleinerer Teil der Arbeitnehmerschaft gewerkschaftlich organisiert ist. So waren es in Deutschland im Jahr 1975 noch 34,6 Prozent; im Jahr 2018 dagegen nur noch 16,5 Prozent. Menschen, die in atypischen Beschäftigungs-verhältnissen oder als Solo-Selbstständige arbeiten, sind in den meisten OECD-Ländern deutlich seltener gewerkschaftlich organisiert.

Auch arbeiten immer weniger Menschen in Arbeitsverhältnissen mit Tarifbindung: In Deutschland sank der Anteil von 85 Prozent im Jahr 1985 auf 56 Prozent im Jahr 2017.

Laut OECD-Studie scheint es sich besonders positiv auf Beschäftigung, Produktivität und Löhne auszuwirken, wenn die Tarifpartner allgemeine Bedingungen auf Branchenebene vereinbaren, Details aber auf betrieblicher Ebene beschließen und dabei die besonderen betrieblichen Bedingungen berücksichtigen.

Nur wenige andere OECD-Länder haben eine betriebliche Mitbestimmung mit gesetzlich garantierten Rechten wie Deutschland. Die OECD verweist darauf, dass es für gute Arbeitsbedingungen besonders förderlich ist, wenn die formale Beteiligung der Beschäftigten durch direkten und vertrauensvollen Austausch mit Vorgesetzten und Arbeitgebern ergänzt wird. Entsprechend wichtig sei es, dass zwischen den Verhandlungspartnern etablierte Koordinierungsmechanismen bestehen. Sie helfen etwa, bei Lohnverhandlungen die Konjunkturlage und mögliche Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit zu berücksichtigen. Eine solche Koordinierung ist in Österreich, Dänemark, den Niederlanden, Norwegen und Schweden stark ausgeprägt, branchenabhängig auch in Deutschland und Japan.

Weitere Informationen

Pres­se­mit­tei­lung OECD "Ar­beits­welt pro­fi­tiert von star­ker Ta­rif­part­ner­schaft und Mit­spra­che" [PDF, 260KB]

Sum­ma­ry der Stu­die in Deutsch [PDF, 4MB]

Die OECD-Studie (englische Fassung)

Quelle: BMAS, 18. November 2019