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Mehr Eigeninitiative bei der Weiterbildung: Internationale Modelle eines "Erwerbstätigenkontos"

Im Auftrag des BMAS hat ein IZA-Forscherteam die internationalen Modelle und Erfahrungen mit Erwerbstätigenkonten analysiert, um daraus Hinweise für eine mögliche Gestaltung eines deutschen Modells abzuleiten.

Um eine erwerbsorientierte Sozialpolitik im Lebensverlauf sicherzustellen und stärker auf die individuellen Bedürfnisse auszurichten, schlägt das Bundesarbeitsministerium (BMAS) im „Weißbuch Arbeiten 4.0“ das Persönliche Erwerbstätigenkonto als Konzept vor. Die Idee: Jeder Berufseinsteiger erhält ein frei verfügbares Budget, um beispielsweise Erwerbsunterbrechungen oder Teilzeit-Phasen abzufedern, Weiterbildungsangebote zu  nutzen oder einen beruflichen Neustart zu wagen. Das dreifache Ziel besteht darin, Leistungsansprüche übertragbar zu machen bzw. vom Arbeitsverhältnis zu entkoppeln, Eigeninitiative zu stärken und soziale Gerechtigkeit zu fördern.

Im Auftrag des BMAS hat ein IZA-Forscherteam um Werner Eichhorst die internationalen Modelle und Erfahrungen mit Erwerbstätigenkonten analysiert, um daraus Hinweise für eine mögliche Gestaltung eines deutschen Modells abzuleiten. Die fünf in Europa bislang realisierten Modelle unterscheiden sich klar in der Ausrichtung: In den Niederlanden, Belgien oder Österreich etwa werden die individuellen Konten zur Altersvorsorge und Ruhestandregelung genutzt. Die Kontenmodelle in Großbritannien bzw. Schottland sowie in Frankreich zielen vor allem auf berufliche Weiterbildung ab.

Das niederländische Kontenmodell strebte beispielsweise eine flexiblere Verteilung von Einkommen über den Lebenslauf an. Das Laufbahnunterbrechungsprogramm in Belgien erlaubt kürzere Arbeitszeiten oder bezahlte Auszeiten mit Kündigungsschutz und kommt damit familienpolitischen Maßnahmen wie der Elternzeit sehr nahe. Ein deutsches Modell würde sich vor allem an das französische, noch sehr junge und relativ komplexe Konzept eines persönlichen Tätigkeitskontos anlehnen. Dieses besteht aus drei Teilkonten: einem persönlichen Weiterbildungskonto, einem Konto für ehrenamtliche Tätigkeiten und einem Teilkonto für arbeitsplatzbezogene Risiken.

Lehren aus den internationalen Erfahrungen

Bei der Ausgestaltung ist zunächst die grundsätzliche Frage zu klären: Sollen vorhandene staatliche Leistungen ersetzt oder erweitert werden? Denkbar sind sowohl eine „große“ Lösung unter Einschluss vieler anderer Leistungen als auch eine „kleine“ Lösung durch eine partielle Erweiterung vorhandener Leistungen. Berührt würden im deutschen Kontext zumindest das Elterngeld und die Elternzeit, Pflegezeit, BAföG, Bildungsurlaub oder auch die geförderte Altersvorsorge. Sollen solche bedarfsorientierten Leistungen fortbestehen, ist der Spielraum für individuelle Konten deutlich eingeschränkt.

An den fünf analysierten Modellen fällt vor allem auf, dass die individuelle Gestaltungsfreiheit durch strikte Vorgaben über die konkrete Nutzung der Konten stark beschnitten ist. Hinzu kommen Verteilungs- und Akzeptanzfragen: So wäre davon auszugehen, dass Erwerbstätige mit langfristigen Arbeitsverhältnissen, in größeren Unternehmen, mit höherer Bildung und höheren Einkommen zu den Hauptnutzern zählen würden. Eine gezielte Förderung würde eine öffentliche Kofinanzierung, etwa durch direkte, steuerfinanzierte Einzahlungen auf die Konten erfordern.

Die Kurzexpertise ist als IZA Research Report No. 78 abrufbar:

Persönliches Erwerbstätigenkonto – Internationale Modelle und Erfahrungen

Quelle: IZA, 20. Dezember 2017